April 01, 2022

BFH-Urteil zur Zurechnung eines Gewinns aus Sperrfristverletzung nach Realteilung

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BFH-URTEIL ZUR ZURECHNUNG EINES GEWINNS AUS SPERRFRISTVERLETZUNG NACH REALTEILUNG

In seinem Urteil vom 23.11.2021 (VIII R 14/19) hatte der BFH darüber zu entscheiden, wem der Gewinn zuzurechnen ist, der aus einer Verletzung der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG resultiert, die im Anschluss an eine Realteilung durch einen der bis zur Realteilung an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter ausgelöst wird.

Sachverhalt

Kläger (K) und Beigeladener (B) waren Gesellschafter einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis in Form einer GbR. Die ärztliche Praxis wurde nach § 16 Abs. 3 S. 2 EStG unter Ansatz des Buchwerts real geteilt und K und B führten ihre ärztliche Tätigkeit anschließend in Einzelpraxen fort. 

Im Folgejahr, d.h. vor Ablauf der dreijährigen Sperrfrist des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG, veräußerte B seine im Wege der Realteilung entstandene Einzelpraxis. 

Streitig war im Urteilsfall, wem der aufgrund der Sperrfristverletzung rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung entstandene Gewinn zuzurechnen ist. Das FA vertrat die Auffassung, dass die aufgedeckten stillen Reserven den damaligen Gesellschaftern entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen und von diesen so zu versteuern seien. Nach Auffassung von K sollten diese allein B zugewiesen werden. Das vorinstanzliche FG schloss sich der Auffassung des FA an und wies die Klage ab. Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab ihr statt: Nach § 16 Abs. 3 S. 8 EStG sei der durch die Sperrfristverletzung entstehende Gewinn allein dem die Sperrfrist verletzenden Beigeladenen zuzurechnen.

Entscheidung

Der BFH argumentierte in seiner Entscheidung wie folgt: Bei einer gemeinschaftlichen Entnahme der Realteilungsgesellschaft im Zeitpunkt der Realteilung sei der Aufgabegewinn nach Maßgabe der allgemeinen Gewinnverteilungsquote den Gesellschaftern zuzurechnen. Dies sei gerechtfertigt, weil den Realteilern bekannt sei, dass nicht alle Realteiler die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung erfüllen und sie daher die Entnahme gemeinschaftlich verwirklichen.

Demgegenüber sei die Sperrfristverletzung eines Realteilers nach der Realteilung zu Buchwerten gerade keine „gemeinschaftlich verwirklichte Entnahme“ der Realteilungsgesellschaft. Die übrigen ehemaligen Mitunternehmer könnten diese nicht verhindern. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG bestimme allein, dass rückwirkend der gemeine Wert der betroffenen Wirtschaftsgüter anzusetzen sei, enthalte jedoch keine Aussage zur Zurechnung des daraus folgenden Gewinns.

Nach Auffassung des BFH soll der Gewinn jedenfalls in den Fällen, in denen die Sperrfrist im Wege einer Betriebsveräußerung verletzt wird, allein dem die Sperrfrist verletzenden Realteiler zuzurechnen sein, denn auf einen solchen Fall sei § 16 Abs. 3 S. 8 EStG als spezielle Gewinnzuweisungsnorm anzuwenden. Nach diesem ist bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs, an dem mehrere Personen beteiligt waren, für jeden Beteiligten der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen, die er bei der Auseinandersetzung erhalten hat.

Ein die Sperrfrist im Wege einer Betriebsveräußerung verletzender Realteiler sei so zu stellen, als habe er seine unternehmerische Tätigkeit bereits im Zeitpunkt der Realteilung unter Aufdeckung der in den übernommenen Wirtschaftsgütern ruhenden stillen Reserven aufgegeben. Aus § 16 Abs. 3 S. 3 EStG folge nicht, dass die stillen Reserven bei sämtlichen Realteilern zu versteuern scien, nur weil sie ursprünglich auf der Ebene der Mitunternehmerschaft gebildet wurden. Eine Gewinnzurechnung nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel sei nur geboten, wenn weder das Gesetz noch eine anzuerkennende Vereinbarung der Realteiler eine abweichende Gewinnzurechnung vorschrieben. Dies sei im Fall einer Betriebsveräußerung innerhalb der Sperrfrist jedoch wegen § 16 Abs. 3 S. 8 EStG der Fall. Andernfalls komme es nicht nur zu einer rechtlich bedenklichen Besteuerung aus Drittverhalten sondern auch zu einer nicht mehr vom Normzweck des § 16 Abs. 3 S. 3 EStG gedeckten typisierenden Gewinnzurechnung. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG dient der Verhinderung von Gestaltungen zur gezielten Verlagerung von Wirtschaftsgütern und stillen Reserven mit dem Ziel der zeitnahen Veräußerung/Entnahme. Daran fehle es nach Ansicht des BFH, wenn der Realteiler sämtliche stillen Reserven aus den übernommenen Wirtschaftsgütern aufdeckt und keine Anhaltspunkte für eine gezielte Verlagerung wesentlicher Betriebsgrundlagen mit dem Ziel einer Statusverbesserung für den Fall der zeitnahen Veräußerung/Entnahme ersichtlich sind.

Fazit

Der BFH kommt zu dem Ergebnis, dass der wirtschaftlich durch den die Sperrfrist verletzenden Realteiler erzielte Gewinn diesem auch alleine zuzurechnen ist. Für die Praxis ist zu beachten, dass die Entscheidung der Verwaltungsauffassung widerspricht, die bei der echten Realteilung grundsätzlich von einer Zurechnung des Gewinns zu den Realteilern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel ausgeht (BMF-Schreiben vom 19.12.2018, Tz. 29). Es bleibt abzuwarten, ob sich das BMF der Auffassung des BFH anschließt. Zu beachten ist ferner, dass der BFH ausdrücklich offen gelassen hat, ob die alleinige Gewinnzurechnung zu dem die Sperrfrist verletzenden Realteiler auch jenseits der Fälle einer Betriebsveräußerung gilt und ob es sich bei dem Gewinn aufgrund der Sperrfristverletzung iSd. § 16 Abs. 3 S. 3 EStG um einen Aufgabegewinn der Gesellschaft oder einen laufenden Gewinn handelt. 

 

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