July 27, 2022

BFH entscheidet zur grunderwerbsteuerlichen Zurechnung von Grundstücken für Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG in mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen

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BFH ENTSCHEIDET ZUR GRUNDERWERBSTEUERLICHEN ZURECHNUNG VON GRUNDSTÜCKEN FÜR ZWECKE DES § 1 ABS. 2A GRESTG IN MEHRSTÖCKIGEN BETEILIGUNGSSTRUKTUREN

Der BFH hat mit kürzlich veröffentlichtem Urteil vom 01.12.2021 (II R 44/18) über die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von Grundstücken in mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen entschieden. Demnach gehört ein Grundstück für grunderwerbsteuerliche Zwecke des § 1 Abs. 2a GrEStG nur dann zum Vermögen einer Obergesellschaft, wenn diese das Grundstück selbst aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat.

Dem Urteil lag folgender (vereinfachter) Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin, eine GmbH & Co KG (A-KG) hielt zunächst 99,99% der Aktien an der X-AG, als diese im Jahr 1994 erstmals Grundbesitz erwarb. Im Jahr 2002 erhöhte die A-KG ihre Beteiligungsquote an der X-AG auf 100%. In 2011 brachte der zu 100% am Vermögen der A-KG beteiligte Kommanditist seinen Kommanditanteil an der A-KG sowie die allein von ihm gehaltenen Anteile an der Komplementärin der A-KG in einer luxemburgische Personengesellschaft ein, an der A wiederum zu 100% am Vermögen beteiligt war. Innerhalb von fünf Jahren nach dieser Einbringung verkaufte die A-KG 5,1% der Aktien an der X-AG und wurde im Anschluss daran in 2013 in eine KGaA formgewechselt.

Das Finanzamt sah in der Übertragung der Kommanditanteile auf die luxemburgische Personengesellschaft einen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 2a GrEStG im Hinblick auf das Grundvermögen der X-AG, das für grunderwerbsteuerliche Zwecke nach Ansicht des Finanzamts der A-KG zuzurechnen sei. Zwar hatte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer auf diesen vermeintlichen Erwerbsvorgang aufgrund der Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG zunächst nicht erhoben. Aufgrund des nachfolgenden Anteilverkaufs von 5,1% und des Formwechsels der A-KG in eine KGaA innerhalb von fünf Jahren nach dem vermeintlichen Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 2a GrEStG versagte das Finanzamt die Steuerbefreiung und setzte im Hinblick auf die in 2011 durchgeführte Übertragung der Kommanditanteile an der A-KG auf die luxemburgische Personengesellschaft Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 2a GrEStG im Hinblick auf das der A-KG zuzurechnende Grundvermögen der X-AG gegen die Klägerin fest.

Das FG München gab der Klägerin Recht und entschied, dass Grundstücke einer Untergesellschaft der Obergesellschaft nur dann grunderwerbsteuerlich zuzurechnen sind, wenn insoweit ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang gem. § 1 GrEStG erfolgt ist. Die Aufstockung der Beteiligung an der X-AG von 99,99% auf 100% im Jahr 2002 nach Absenkung der Beteiligungsschwelle des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf 95% führte nach Ansicht des FG nicht zu einem solchen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang.

Im Revisionsverfahren bestätigte der BFH die Auffassung des FG München. Demnach ist ein Grundstück einer Untergesellschaft einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, „wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG erworben hat.“ Ein solcher Erwerb hat vorliegend nicht stattgefunden, da die X-AG die Grundstücke erst erworben hat, nachdem die A-KG bereits zu 99,99% an der X-AG beteiligt war. Weder die Absenkung der Beteiligungsschwelle für Anteilserwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG auf 95% durch das StEntlG 1999/2000/2002 noch die nachfolgende Aufstockung der Beteiligung der A-KG an der X-AG von 99,99% auf 100% in 2002 führt nach Ansicht des BFH zu einem solchen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang.

Der BFH bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung auch für den Fall mehrstöckiger Beteiligungsstrukturen. Zwar ist das Urteil zu § 1 Abs. 2a GrEStG ergangen. Es dürfte aufgrund des insoweit identischen Wortlauts des § 1 Abs. 2b GrEStG („Gehört zum Vermögen (..) ein inländisches Grundstück“) auch hierauf anzuwenden sein. Als Folge davon ist im Hinblick auf künftige mittelbare Anteilserwerbe grundbesitzhaltender Gesellschaften eine detaillierte „Historienforschung“ erforderlich, um die grunderwerbsteuerliche Zurechnung von mittelbarem Grundbesitz zur Obergesellschaft zu klären und die korrekten grunderwerbsteuerlichen Rechtsfolgen ziehen zu können.

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