Unternehmensbesteuerung, EU, Tax

November 02, 2022

BEFIT: Erneuter Anlauf für ein einheitliches Regelwerk der Unternehmensbesteuerung in der EU

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BEFIT: ERNEUTER ANLAUF FÜR EIN EINHEITLICHES REGELWERK DER UNTERNEHMENSBESTEURUNG IN DER EU

Hintergrund und Zweck der geplanten Richtlinie

Am 13. Oktober 2022 hat die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zur Vorbereitung eines Richtlinienvorschlags für ein einheitliches Regelwerk der Unternehmensbesteuerung gestartet. Bereits 2011 und 2016 hatte die Kommission Richtlinienvorschläge zur Schaffung einer EU-weiten Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer (GKB – Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage bzw. GKKB – Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage) vorgelegt.

Die Kommission plant mit der neuesten Initiative ein „single corporate tax rulebook for the EU“ (gemeinsames Regelwerk für die Körperschaftsteuer für die EU). Vorgesehen sind zwei Kernelemente: Erstens die Schaffung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und zweitens die Einführung einer formelbasierten Aufteilung der Unternehmensgewinne auf die Mitgliedsstaaten. Diese Grundsätze waren bereits in den früheren GKB/GKKB-Initiativen enthalten; die nun zu schaffenden Vorschriften sollen aber an heutige wirtschaftliche Gegebenheiten angepasst werden; dabei sollen die Pillar 1- (betreffend die Verteilung von Besteuerungsrechten zwischen Ansässigkeits- und Marktstaaten) und Pillar 2- (betreffend eine Mindestbesteuerung) Regeln der OECD/G20 als „Inspirationsquelle“ dienen.

Die “BEFIT-Richtlinie“ soll einerseits die Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs sicherstellen, andererseits ein steuerliches Umfeld schaffen, das zu Wachstum, der Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen in der EU beiträgt. Beabsichtigt ist ferner, Komplexität und Kosten für Unternehmen zu reduzieren, die andernfalls gezwungen wären, innerhalb der EU bis zu 27 unterschiedliche Körperschaftsteuersysteme anzuwenden. Damit soll der EU-Binnenmarkt gegenüber anderen großen Märkten gestärkt werden.

Auch spiegeln die heute geltenden Körperschaftsteuersysteme nach Auffassung der Kommission die Realität der heutigen Wirtschaft nicht mehr wider, da sie überwiegend auf den Grundsätzen der lokalen Produktion aufbauen, was aufgrund von Globalisierung, Digitalisierung und der vermehrten Nutzung immaterieller Vermögenswerte nicht mehr zeitgemäß sei.

Lösungsvorschläge der Kommission

Das von der Kommission als Grundlage der Konsultation veröffentlichte Dokument ist sehr offen gehalten und enthält eine Vielzahl möglicher Alternativlösungen. 

Geltungsbereich

Offen ist, ob das neue Regime nur Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Gesamtumsatz ab EUR 750 Mio. erfassen soll (was der Umsatzgrenze der Mindestbesteuerung im Rahmen von Pillar 2 entspräche), oder ob eine niedrigere Schwelle vorzuziehen ist, wodurch insbesondere auch international tätige KMU hiervon erfasst wären und von den Vereinfachungen profitieren können sollen. Die Kommission hält sektorspezifische Ausnahmen (insbesondere für den Finanzdienstleistungssektor) dem Grunde nach zwar für denkbar, möchte diese jedoch weitestmöglich begrenzen, d.h. sie strebt eine möglichst umfassende sektorunabhängige Geltung der Richtlinie an.

Berechnung der Bemessungsgrundlage

Die Kommission schlägt zwei Alternativen vor: Entweder könnten die ohnehin von den Gesellschaften (nach einem einheitlichen, für die Anwendung in der EU zugelassenen Rechnungsstandard) aufzustellenden Jahresabschlüsse als Ausgangspunkt genommen und mittels einer Überleitungsrechnung für BEFIT-Zwecke modifiziert werden. Oder aber es könnte ein gänzlich eigenständiges, von der Finanzbuchhaltung losgelöstes Regime zur steuerlichen Gewinnermittlung bzw. Steuerermittlung für BEFIT-Zwecke geschaffen werden.

Formel für die Aufteilung der steuerbaren Gewinne

Schließlich soll die Bemessungsgrundlage für Besteuerungszwecke auf die Mitgliedstaaten, in denen die betreffende Unternehmensgruppe eine steuerliche Präsenz hat, anhand einer Formel verteilt werden. Bei der Verteilung sollen die Quellen der Einkommensgenerierung abgebildet werden; berücksichtigt werden sollen insbesondere Sachanlagen (tangible assets), grds. mit Ausnahme von finanziellen Vermögenswerten, Arbeit (labour – ggf. mit gleicher Gewichtung von Personal und Löhnen/Gehältern) sowie der Umsatz nach dem Bestimmungsort (sales by destination). Ob auch immaterielle Vermögenswerte (intangible assets) bei der Aufteilung berücksichtigt werden sollen, ist noch offen; dies wird von der Kommission als eine Option dargestellt.

Zurechnung von Gewinnen zu nahestehenden Personen außerhalb der konsolidierten EU-Unternehmensgruppe

Da der Anwendungsbereich des EU-Rechts grundsätzlich auf Aktivitäten innerhalb der EU beschränkt ist, kann der beabsichtigte Mechanismus einer einheitlichen Bemessungsgrundlage und der Verteilung des Steuersubstrats anhand einer Formel nicht angeordnet werden, soweit nahestehende Gesellschaften mit Sitz im Drittland betroffen sind. Die Rechtsverhältnisse zu diesen sollen wie bisher isoliert unter Anwendung der anerkannten Verrechnungspreisgrundsätze gewürdigt werden, die alternativ unter Zugrundelegung „makroökonomischer, sektorspezifischer Maßstäbe“ verprobt werden sollen.

Bewertung und Ausblick

Die Konsultationsphase endet am 5. Januar 2023. Die Kommission plant, im dritten Quartal 2023 einen Richtlinienvorschlag vorzulegen. Die Verabschiedung durch die Mitgliedstaaten unterliegt dem besonderen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 115 AEUV; es gilt somit ein Einstimmigkeitserfordernis. Wie oben dargestellt, sind die bisherigen Vorschläge sehr offen gehalten. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. 

 

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