December 05, 2022

BFH nimmt zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens i.S. des § 6a GrEStG bei mehrstufigen Beteiligungen Stellung

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BFH NIMMT ZUR BESTIMMUNG DES HERRSCHENDEN UNTERNEHMENS I.S. DES § 6A GRESTG BEI MEHRSTUFIGEN BETEILIGUNGEN STELLUNG

Mit Urteil vom 28.09.2022, II R 13/20, hat der BFH hinsichtlich der sog. Konzernklausel des § 6a GrEStG entschieden, dass das herrschende und das abhängige Unternehmen im Sinne der Norm stets nach dem gegenständlichen Umwandlungsvorgang zu bestimmen sind, für den die Privilegierung nach § 6a GrEStG in Anspruch genommen werden soll. Unerheblich ist bei mehrstufigen Beteiligungsketten, ob das herrschende Unternehmen selbst von einem oder weiteren Unternehmen abhängig ist.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte war eine Kapitalgesellschaft, die eine Beteiligung an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft hielt. Gesellschafterin der Klägerin war eine GmbH, deren Anteile wiederum durch eine Aktiengesellschaft gehalten wurden. Die Beteiligungen bestanden seit mehr als fünf Jahren und betrugen ununterbrochen jeweils 100 %.

Im Jahr 2011 wurde die grundbesitzhaltende Gesellschaft im Wege der Verschmelzung zur Aufnahme auf die Klägerin verschmolzen. Infolgedessen gingen die Grundstücke auf die Klägerin über. Der Übergang der Grundstücke unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG grundsätzlich der Grunderwerbsteuer. Das zuständige Finanzamt (Beklagter und Revisionskläger) gewährte für diesen Umwandlungsvorgang die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG.

Voraussetzung der Privilegierung nach § 6a GrEStG ist, dass an dem Vorgang ein sog. „herrschendes Unternehmen“ und eine oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen „abhängige Gesellschaften“ (Alternative 1) oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften (Alternative 2) beteiligt sind. Dies setzt eine bereits seit mindestens 5 Jahren vor dem Umwandlungsvorgang ununterbrochen bestehende Beteiligungsquote von mindestens 95 % (Vorbehaltensfrist) voraus, die mindestens in dieser Höhe für 5 Jahre nach dem Umwandlungsvorgang weiter besteht (Nachbehaltensfrist). Allerdings sind Vor- und Nachbehaltensfristen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dann nicht erforderlich, wenn sie aufgrund des begünstigten Umwandlungsvorgangs nicht eingehalten werden können. Die Up-stream Verschmelzung lässt somit im Verhältnis der Klägerin zur ursprünglich grundbesitzhaltenden Gesellschaft die Pflicht zur Einhaltung der Nachbehaltensfrist entfallen, da die übertragende, grundbesitzhaltende Gesellschaft als Folge der Verschmelzung untergegangen ist und die Einhaltung der Nachbehaltensfrist somit aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist.

Im Jahr 2013 veräußerte die Aktiengesellschaft 26,8 % der Anteile an der Gesellschafterin der Klägerin. Infolgedessen unterschritt auch die mittelbare Beteiligung der Aktiengesellschaft an der Klägerin die Beteiligungsquote in Höhe von 95 %. Das Finanzamt wertete dies als Verstoß gegen die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG und erließ einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid mit dem es die Steuervergünstigung des § 6a GrEStG für die vorangegangene Upstream-Verschmelzung widerrief.

Das Finanzgericht gab der Klage auf Aufhebung dieses Feststellungsbescheids statt. Auch der BFH wies die nachfolgende Revision des Finanzamts gegen das Urteil des FG als unbegründet zurück. Streitig hierbei war die Frage, wer im mehrstufigen Konzern als „herrschendes Unternehmen“ und wer als „abhängige Gesellschaft“ qualifiziert. Im Urteilsfall könnten als „herrschendes Unternehmen“ sowohl die Klägerin, deren Gesellschafterin die GmbH oder deren Gesellschafterin die Aktiengesellschaft in Frage kommen. Abhängig davon wäre die Nachbehaltensfrist des § 6a GrEStG entweder nicht (bei Abstellen auf die Klägerin), im Verhältnis zwischen GmbH und Klägerin oder ggfs. sogar im Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft, GmbH und Klägerin zu beachten.

Der BFH hat entschieden, dass sich diese Frage allein nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang richtet, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Wird danach beispielsweise in einem dreistufigen Konzern mit Mutter-, Tochter- und Enkelgesellschaft die Enkelgesellschaft auf die Tochtergesellschaft verschmolzen, ist die Tochtergesellschaft bei diesem Umwandlungsvorgang das „herrschende Unternehmen“ und die Enkelgesellschaft die „abhängige Gesellschaft“ gem. § 6a S. 3, 4 GrEStG. Auf die Beteiligung der Muttergesellschaft an der übernehmenden Tochtergesellschaft kommt es in solchen Fällen nicht an. Im Ergebnis gilt hierbei dann keine Nachbehaltensfrist, d.h. die Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft können jederzeit veräußert werden, ohne dass dies die Privilegierung des vorangegangenen Umwandlungsvorgangs beeinträchtigt. Der Bundesfinanzhof sieht in solchen Umwandlungsfällen, bei denen ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen gem. § 6a S. 3 GrEStG am Umwandlungsvorgang beteiligt sind (Alternative 1) kein Erfordernis als herrschendes Unternehmen auf die übergeordnete Muttergesellschaft abzustellen (Alternative 2 des § 6a S. 3 GrEStG).
Demnach qualifiziert als „herrschendes Unternehmen“ im Streitfall nicht die Aktiengesellschaft, als mittelbare, seit mindestens 5 Jahren zu mindestens 95 % beteiligte Gesellschafterin, sondern die Klägerin, die am Umwandlungsvorgang beteiligt gewesen ist. Die Veräußerung der mittelbaren Beteiligung an der Klägerin seitens der Aktiengesellschaft innerhalb der 5-Jahresfrist war demnach für die Privilegierung des vorangegangenen, auf einer nachgelagerten Beteiligungsstufe erfolgten Umwandlungsvorgang gem. § 6a GrEStG ohne Bedeutung.