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December 04, 2022

Bundestag beschließt Jahressteuergesetz 2022 mit zahlreichen Änderungen

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BUNDESTAG BESCHLIEßT JAHRESSTEUERGESETZ 2022 MIT ZAHLREICHEN ÄNDERUNGEN

Das Bundesfinanzministerium hatte am 29.07.2022 den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022) zur gesetzlichen Umsetzung bestimmter Maßnahmen betreffend die Besteuerung von Registerfällen, die Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer, die Digitalisierung des Steuerverfahrens und die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag veröffentlicht (siehe hierzu unser Beitrag vom 01.08.2022). Der Regierungsentwurf vom 16.09.2022 enthielt aus unternehmensteuerlicher Sicht keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf.

Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf vom 28.10.2022 zahlreiche, teils weitreichende Änderungen und Ergänzungen vorgeschlagen; die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung wiederum zu diesen Vorschlägen Stellung genommen (siehe hierzu unser Beitrag vom 03.11.2022).

Am 30.11.2022 hat nunmehr der Finanzausschluss des Bundestages seine Beschlussempfehlung und Bericht vorgelegt. Der Bundestag hat das JStG 2022 in dieser Fassung am 02.12.2022 beschlossen.

Wesentlicher Inhalt des JStG 2022 in der vom Bundestag beschlossenen Fassung

Die Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses sind sehr umfangreich. Teils werden die Anregungen des Bundesrats umgesetzt. Sie enthalten jedoch auch eigene Änderungen, die weder auf den Referenten-/Regierungsentwurf noch auf die Stellungnahme des Bundesrats zurückgehen.

Hinzuweisen ist insbesondere auf die folgenden Vorschriften bzw. Themen:

  • Neufassung des § 27 Abs. 8 KStG (Einlagenrückgewähr) mit Einbeziehung von Drittstaaten- und EWR-Kapitalgesellschaften mit vorgesehener erstmaliger Anwendung auf Leistungen und Nennkapitalrückzahlungen, die nach dem 31.12.2022 erfolgen (vgl. Art. 9 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags). Diese Regelung geht auf den Vorschlag des Bundesrats in seiner Stellungnahme vom 28.10.2022 zurück.

  • Regelung der grunderwerbsteuerlichen Rechtslage bei Share Deals, wenn das schuldrechtliche Geschäft einen Tatbestand nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 3 oder § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht, und der Vollzug des Geschäfts sodann § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG erfüllt. Nach der neuen Vorschrift wird auf Antrag der Steuerbescheid betreffend das Verpflichtungsgeschäft aufgehoben oder geändert; vorausgesetzt werden fristgerechte und in allen Teilen vollumfängliche Anzeigen für das schuldrechtliche sowie für das dingliche Rechtsgeschäft (§ 16 Abs. 4a, 5 GrEStG-neu; vgl. Art. 22 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags). Diese Regelung geht ebenfalls auf einen Vorschlag des Bundesrats in seiner Stellungnahme vom 28.10.2022 zurück.

  • Weitgehende Abschaffung der Registerfälle für die Zukunft und rückwirkende Abschaffung der Registerfälle für Drittlizenzen (vgl. Art. 1 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags). Die nunmehr beschlossenen Änderungen sind jedoch im Vergleich zum bisherigen Entwurf (vgl. dazu unser Beitrag vom 01.08.2022) eingeschränkt worden: Im Referenten- und Regierungsentwurf wurde eine Steuerpflicht gem. § 49 EStG für Registerfälle für die Zukunft noch grundsätzlich ausgeschlossen. Lediglich nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAbwG-E war noch eine beschränkte Steuerpflicht vorgesehen, wenn der Veräußerer bzw. Lizenzgeber in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet i.S.d. StAbwG ansässig war. Bei Vermietungen/Verpachtungen oder Veräußerungen zwischen fremden Dritten bleibt es auch nach der vom Bundestag beschlossenen Fassung des JStG 2022 hierbei. Nach der Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f) bb) S. 2 EStG soll eine Besteuerung bei Vermietungen/Verpachtungen oder Veräußerungen zwischen nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG jedoch künftig nicht generell, sondern nur dann ausscheiden, wenn Doppelbesteuerungsabkommen einschließlich der nationalen Anwendungsvorschriften (insbesondere § 50d EStG) dem entgegenstehen. Zudem soll dies auch erst für solche Einkünfte gelten, die ab dem 1.1.2023 zufließen.

  • Übergewinnsteuer/EU-Energiekrisenbeitrag - Einführung eines EU-Energiekrisenbeitrags nach der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates über „Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise“ vom 06.10.22 (vgl. Art. 40 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags). Im Regierungsentwurf war dies noch nicht enthalten. Zur Thematik insgesamt verweisen wir auf den gesonderten Beitrag von Dr. Patrick Wolff und Dr. Mathias Stöcker. 

  • Einlagelösung; Änderung des § 14 Abs. 4 KStG und des § 34 Abs. 6e KStG (vgl. Art. 8 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags, siehe hierzu auch BMF-Schreiben v. 29.09.2022). Mit Wirkung zum Veranlagungszeitraum 2022 wurde § 14 Abs. 4 KStG neu gefasst. Zuvor war bei Minder- bzw. Mehrabführungen einer Organgesellschaft, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit hatten, beim Organträger ein entsprechender aktiver bzw. passiver Ausgleichsposten zu bilden, der im Zeitpunkt der Veräußerung der Organbeteiligung ergebniswirksam aufzulösen war. An die Stelle dieser „Ausgleichspostenlösung“ ist eine Lösung unter Verwendung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 KStG („Einlagelösung“) getreten: Minderabführungen der Organgesellschaft mit Ursache in organschaftlicher Zeit sind als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft zu behandeln; entsprechende Mehrabführungen gelten als Einlagenrückgewähr. Die Neuregelung warf diverse Fragen auf, die im o.g. BMF-Schreiben v. 29.09.2022 behandelt wurden. Der Gesetzgeber schreibt die seitens der Finanzverwaltung in diesem Schreiben vertretenen Positionen nunmehr gesetzlich fest. Dies betrifft u.a. die mittelbare Organschaft, die Auswirkung von Mehr- oder Minderabführungen auf den Beteiligungsbuchwert und die steuerlichen Auswirkungen für den Fall, dass die Einlagenrückgewähr die Summe aus Buchwert und Einlage übersteigt.

  • Einschränkungen der Steuerbefreiung des § 6 Abs. 3 GrEStG (Übertragungen zwischen Gesamthandsgemeinschaften) im Fall der Optionsausübung nach § 1a KStG (vgl. Art. 22 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags). Nach § 6 Abs. 3 GrEStG wird eine Grunderwerbsteuer nicht erhoben, wenn ein Grundstück von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand übergeht, soweit an der erwerbenden Gesellschaft dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Nach dem bereits geltendem § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG gilt die Steuerbefreiung nicht, wenn die erwerbende Gesamthand nach § 1a KStG optiert hat und das Grundstück von einer Gesamthand übergeht, die nicht nach § 1a KStG optiert hat, sofern die 10-Jahres-Frist des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG noch nicht abgelaufen ist. Bislang fehlte eine Regelung für den Fall, dass das Grundstück zuerst auf eine Gesamthand übergeht und diese erst dann optiert. Nach dem neuen § 6 Abs. 3 S. 5 GrEStG wird dieser Fall einer schädlichen nachträglichen Verminderung der Beteiligung eines Gesamthänders am Vermögen der Gesamthand nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG gleichgestellt. Eine Option zur Körperschaftsteuer innerhalb von 10 Jahren nach dem Übergang des Grundstücks ist mithin für die GrESt-Befreiung schädlich. Der Bundesrat hatte darüber hinaus vorgeschlagen, die grunderwerbsteuerliche Begünstigung auch dann zu versagen, wenn nicht die erwerbende, sondern die übertragende Gesamthandschaft innerhalb der nachlaufenden 10-Jahres-Frist zur Körperschaftsteuer optiert. Dieser Vorschlag wurde nicht übernommen.

  • Änderung des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei der Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln – KapErhStG (vgl. Art. 37, 38 des Gesetzesbeschlusses des Bundestags). Bei Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln im Wege der Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital werden Bestandsgesellschaftern regelmäßig zusätzliche Geschäftsanteile („Gratisaktien“) zugeteilt. Nach § 1 KapErhStG unterliegt die Zuweisung solcher neuer Anteilsrechte bei den Gesellschaftern nicht der Erwerbsbesteuerung. Bislang musste der im Inland steuerpflichtige Anteilseigner einer ausländischen Kapitalgesellschaft, der im Zuge einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln neue Anteilsrechte erhielt, selbst nachweisen, dass diese aus einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln i.S.d. §§ 1, 7 KapErhStG stammen. Dieser Nachweis konnte ggfs. nicht oder nur mit hohem Aufwand geführt werden, da regelmäßig die Gesellschaft und nicht der Gesellschafter über die Unterlagen und Informationen verfügt, die zum Nachweis geeignet sind. Eine Antragstellung durch die Gesellschaft war nicht vorgesehen und konnte bislang von den Finanzbehörden nur im Billigkeitswege bearbeitet werden. Die Neuregelung erlaubt nunmehr eine solche Antragstellung durch die ausländische Gesellschaft selbst, und soll auf diese Weise solche Verfahren für den betroffenen im Inland steuerpflichtigen Anteilseigner vereinfachen.

Demgegenüber ist die vom Bundesrat vorgeschlagene Erweiterung des § 6 Abs. 5 EStG im Hinblick auf die Sperrfristtatbestände (§ 6 Abs. 5 S. 4a, S. 7, S. 8 EStG-E; vgl. hierzu unser Beitrag vom 03.11.2022) nicht übernommen worden.

Bislang beabsichtigt war auch, im Rahmen der Gebäude-Afa die Möglichkeit des Nachweises einer (gegenüber der pauschalierten Nutzungsdauer) tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer in § 7 Abs. 4 S. 2 EStG zu streichen. Dies wurde ebenfalls nicht übernommen. Der Nachweis der tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer bleibt somit möglich.

Ausblick

Das Gesetz erfordert die Zustimmung des Bundesrats. Diese könnte bereits am 16.12.2022 erfolgen. Die unionsgeführten Länder haben jedoch angekündigt, den Vermittlungsausschuss anrufen zu wollen. Zuletzt richteten sich ihre Bedenken insbesondere gegen die Übergewinnsteuer; nach ihrer Auffassung ist diese finanzverfassungsrechtlich bedenklich, ferner verlasse sie den von der EU vorgegebenen Rechtsrahmen.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Bedenken zeitnah ausgeräumt werden können und das Gesetz noch im Jahr 2022 verabschiedet wird.