Stock, Börsen, Finanz

October 31, 2022

Oberste Finanzbehörden der Länder nehmen zur Anwendung des § 1 Abs. 2c GrEStG (sog. Börsenklausel) Stellung

Abonnieren

Sprung Link Text

 

OBERSTE FINANZBEHÖRDEN DER LÄNDER NEHMEN ZUR ANWENDUNG DES § 1 ABS. 2C GrEStG (SOG. BÖRSENKLAUSEL) STELLUNG

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben mit gleich lautenden Erlassen (GLE) vom 04.10.2022 zur sog. Börsenklausel gem. § 1 Abs. 2c GrEStG Stellung genommen. Diese sieht vor, dass ein Übergang von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung des Vomhundertsatzes i. S. d. § 1 Abs. 2a S. 1 und § 1 Abs. 2b S. 1 GrEStG unter bestimmten Umständen außer Acht gelassen wird und somit keinen grunderwerbsteuerbaren Vorgang auslöst bzw. hierzu nicht beiträgt.

Die Börsenklausel ist sowohl anwendbar in Fällen, in denen Anteile an unmittelbar grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaften übergehen (§ 1 Abs. 2b S. 1 GrEStG), als auch in Fällen, in denen Anteile an Kapitalgesellschaften übergehen, die wiederum an grundbesitzenden Personen- und Kapitalgesellschaften mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind (§ 1 Abs. 2a S. 3-5 o. § 1 Abs. 2b S. 3-5 GrEStG).

Als Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 2c GrEStG qualifizieren hierbei Aktien an Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie Anteile an vergleichbaren ausländischen Kapitalgesellschaften, die an Wertpapierhandelsplätzen zugelassen werden können, erfasst. Hiervon abzugrenzen sind American Depository Receipts (ADR) und andere Wertpapiere, welche sich zwar auf Anteile an Kapitalgesellschaften beziehen, allerdings kein Eigentum hieran vermitteln.

Des Weiteren setzt die Anwendung der Börsenklausel voraus, dass es sich um Anteile handelt, die zum Handel an einem organisierten Markt gem. § 2 Abs. 11 WpHG oder einem von der EU-Kommission erklärten, gleichwertigen Dritthandelsplatz, zugelassen sind. Derzeit werden von der Europäischen Kommission Handelsplätze in den USA, Hongkong und Australien als gleichwertig anerkannt. Dagegen werden insbesondere Börsen in der Schweiz, Großbritannien und Nordirland aktuell nicht als gleichwertige Dritthandelsplätze anerkannt. Multilaterale Handelssysteme (z.B. der Freiverkehr gem. § 48 BörsG) qualifizieren nicht als organisierter Markt gem. § 2 Abs. 11 WpHG. Ungeachtet dessen werden Anteilsübergänge auf Grund eines Geschäfts über ein MTF vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2c GrEStG, sofern Anteile an der jeweiligen Kapitalgesellschaft an einem organisierten Markt gem. § 2 Abs. 11 WpHG (oder einem gleichwertigen Dritthandelsplatz) zugelassen sind.

Anteilsbewegungen im Rahmen eines IPO, einer Kapitalerhöhung sowie aufgrund einer Wertpapierleihe, eines Wertpapierdarlehens oder Wertpapierpensionsgeschäfts sollen nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht unter das Privileg des § 1 Abs. 2c GrEStG fallen, da es sich hierbei nicht um „ein Geschäft über“ den jeweiligen Handelsplatz iSv. § 1 Abs. 2c GrEStG handeln soll. Diese Anteilsveränderungen sind also für Zwecke des § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG zu berücksichtigen.

Da ein Wechsel von Anteilseignern i. S. d. § 1 Abs. 2c GrEStG keinen grunderwerbssteuerbaren Tatbestand i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG u. § 1 Abs. 2b GrEStG auslöst, führt dies konsequenterweise nicht zu einer Anzeigepflicht.

Die Finanzverwaltung will ihre Ansicht auf alle noch offene Fällen anwenden.