December 02, 2022

Bundestag beschließt Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne

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BUNDESTAG BESCHLIEßT ÜBERGEWINNSTEUER FÜR MINERALÖLKONZERNE

Der Bundestag hat am 2. Dezember 2022 als Bestandteil des Jahressteuergesetzes 2022 (Art. 40) in Umsetzung einer Vorgabe der EU-Verordnung 2022/1854 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise (die "Verordnung") das Gesetz zur Einführung eines EU-Energiekrisenbeitrags (EU-Energiekrisenbeitragseinführungsgesetz) (das "Gesetz") beschlossen. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes ist vor dem Jahresende zu rechnen, sofern die Union das Gesetz nicht über den Bundesrat blockiert. Zu den weiteren Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 siehe unser ausführlicher Beitrag hier.

Mit dem Gesetz wird die von der Verordnung unter anderem vorgesehene befristete Einführung eines in der öffentlichen Diskussion als "Übergewinnsteuer" bezeichneten "Solidaritätsbeitrags" im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätiger Unternehmen in das nationale Steuerrecht umgesetzt. Mit dem befristeten Solidaritätsbeitrag sollen Unternehmen, die infolge des Anstiegs der Öl- und Gaspreise im Zuge der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energiekrise "Überschussgewinne" erzielt haben, proportional zur Bewältigung der Energiekrise auf dem EU-Binnenmarkt beitragen. Die Einnahmen aus dem Solidaritätsbeitrag sind gemäß den Vorgaben der Verordnung primär für gezielte finanzielle Unterstützungsmaßnahmen für Endkunden zu verwenden, insbesondere für schutzbedürftige Haushalte, um die Auswirkungen hoher Energiepreise abzumildern. Die Steuermehreinnahmen aus der Übergewinnsteuer in Deutschland werden auf eine Größenordnung von ein bis drei Milliarden Euro geschätzt.

Das Gesetz sieht vor, dass in den Wirtschaftsjahren 2022 oder 2023 (bei abweichenden Wirtschaftsjahren in den Jahren 2022/23 und 2023/24) entstandene Gewinne von Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft, die im Vergleich zu den Vorjahren (2018 bis 2021) den Durchschnittsgewinn um 20 % übersteigen, mit einem Steuersatz von 33 % ("EU-Energiekrisenbeitrag") besteuert werden. Dass die Besteuerung erst oberhalb von 20 % über dem durchschnittlichen Gewinn der Vorjahre einsetzt, soll nach der Verordnung sicherstellen, dass der Teil der Gewinnspanne, der nicht auf die Steigerung der Preise für Öl und Gas durch die Energiekrise zurückzuführen ist, von den betreffenden Unternehmen für zukünftige Investitionen oder zur Gewährleistung ihrer Finanzstabilität genutzt werden kann.

Der EU-Energiekrisenbeitrag stellt eine Steuer im Anwendungsbereich der Abgabenordnung dar (§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 AO) und ist nicht als Betriebsausgabe bei der Ermittlung der Einkommensteuer/Körperschaftsteuer des Steuerschuldners abzugsfähig.

Die Bemessungsgrundlage der Abgabe sowie die Mindesthöhe des Steuersatzes von 33 % waren in der Verordnung selbst festgelegt worden. Das Gesetz belässt es trotz weitergehender Forderungen aus Teilen der Politik bei dem Mindestsatz von 33 %. Zugleich schöpft das Gesetz aber den von der Verordnung vorgegebenen zeitlichen Rahmen für die Erhebung des Solidaritätsbeitrags voll aus, indem es die Erhebung einer Übergewinnsteuer für zwei Wirtschaftsjahre vorsieht. Die Verordnung hatte es den Mitgliedstaaten freigestellt, nur Übergewinne aus dem Jahr 2022 oder aus dem Jahr 2023 oder Übergewinne aus beiden Jahren zu besteuern.

Abgabepflichtig ist nach dem Gesetz entsprechend der Vorgabe der Verordnung jedes im Inland ansässige Unternehmen in der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft, das im jeweiligen Besteuerungszeitraum mindestens 75 % seines Umsatzes durch bestimmte Wirtschaftstätigkeiten in den Bereichen Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt. Laut Medienberichten geht es in Deutschland um rund 15 Unternehmen. Betroffene Unternehmen haben den Energiekrisenbeitrag nach dem Gesetz selbst zu errechnen und gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern zu melden. Die Meldung muss spätestens erfolgen, wenn auch die Steuererklärung für die Einkommens- und Körperschaftsteuer abgegeben wird. Die Festsetzung der Steuer erfolgt durch das Bundeszentralamt für Steuern.

Die Einführung der Übergewinnsteuer wirft europarechtliche und verfassungsrechtliche Fragen auf.

In europarechtlicher Hinsicht wurde von sachverständiger Seite in der Anhörung zum Jahressteuergesetz vor dem Finanzausschuss des Bundestages vorgetragen, dass die Anwendungsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage, auf die die Verordnung gestützt wurde, nicht erfüllt sind. Die gewählte Rechtsgrundlage ermöglicht Maßnahmen in Bezug auf gravierende Versorgungsschwierigkeiten im Energiebereich. Es sei schwierig nachzuvollziehen, wie die Sicherstellung der Versorgung mit Energie über neue Steuern erfolgen solle. Der Energiekrisenbeitrag sei ungeeignet, um eine drohende Energienotlage zu beseitigen. Mit dem Beitrag werde keine Mangellage behoben, sondern es werde allenfalls die Folge einer eventuellen Mangellage beseitigt. Bei dem Solidaritätsbeitrag handele es sich um eine zusätzliche Ertragsteuer, und bei Steuern gelte das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat und die Pflicht zur Beteiligung des Europäischen Parlaments. Die Beteiligung des Europäischen Parlaments werde mit dem Weg über die Verordnung (anstelle einer Richtlinie) unterlaufen.

In verfassungsrechtlicher Hinsicht stellt sich im Hinblick auf den Umstand, dass der Besteuerungszeitraum in Bezug auf das Wirtschaftsjahr 2022 oder 2022/2023 im Falle des Inkrafttretens des Gesetzes vor Jahresende zeitlich teilweise vor dem Inkrafttreten des Gesetzes und damit in der Vergangenheit liegt, die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Übergewinnsteuer unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots. Da sich die Einführung einer Übergewinnsteuer insoweit auf einen im Zeitpunkt der Einführung noch laufenden Erhebungszeitraum beziehen würde, dürfte in diesem Fall davon auszugehen sein, dass nicht verfassungsrechtlich unzulässig im Sinne einer echten Rückwirkung in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen und eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abgeändert würde. Vielmehr würde insoweit während des Veranlagungszeitraums eine zusätzliche Steuer geschaffen (unechte Rückwirkung), was verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

Verfassungsrechtlich stellen sich im Zusammenhang mit der Übergewinnsteuer insbesondere auch Fragen im Hinblick auf den Gleichheitssatz und die Eigentumsgarantie, da auf Gewinne betroffener Unternehmen, die bereits der normalen Ertragsbesteuerung unterliegen, eine zusätzliche Abgabe erhoben wird.

Die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Fragen, die durch die Einführung der Übergewinnsteuer aufgeworfen werden, dürften in naher Zukunft die Gerichte auf europäischer und nationaler Ebene beschäftigen, da davon auszugehen sein dürfte, dass betroffene Unternehmen im Inland wie auch in anderen Mitgliedstaaten die erstmalige behördliche Festsetzung der Übergewinnsteuer gegen sie anfechten werden.

Selbst wenn gerichtlich festgestellt werden sollte, dass die Übergewinnsteuer ganz oder teilweise rechtswidrig ist, wird die Finanzverwaltung bis dahin die Abführung durchsetzen.