Umwandlungsrichtlinie, EU, Bundestag

December 08, 2022

Bundestag entscheidet über Umsetzung der EU-Umwandlungsrichtlinie

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BUNDESTAG ENTSCHEIDET ÜBER UMSETZUNG DER EU-UMWANDLUNGSRICHTLINIE

Über den wesentlichen Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie“ stimmt der Bundestag am 15. Dezember 2022 nach abschließenden Lesungen ab. Damit soll für Unternehmen ein neuer Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umstrukturierungen geschaffen werden, um sie in die Lage zu versetzen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und sich neue Märkte und Geschäftsmodelle zu erschließen. Der Beitrag beleuchtet die wesentlichen Änderungen des überarbeiteten Gesetzentwurfes und zeigt die bereits beschlossenen Änderungen zum Schutz von Arbeitnehmerrechten auf.

Notwendigkeit und Zielsetzung

Der Gesetzentwurf dient der Umsetzung der europäischen Richtlinie über grenzüberschreitende Umwandlungen. Diese hat das Ziel, die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften im EU-Binnenmarkt in einen angemessenen Ausgleich mit dem Schutz von Arbeitnehmern, Gesellschaftern und Gläubigern zu bringen und wurde mit Spannung erwartet. Dazu enthält sie erstmals harmonisierte gesellschaftsrechtliche Vorschriften, um dem Fehlen eines Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen zu begegnen und der Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit vorzubeugen.

Umsetzung der Richtlinie

Mit der Umsetzung der neuen Richtlinie in unser nationales Recht wird laut Bundesregierung ein einheitlicher Rechtsrahmen für die drei Hauptanwendungsfälle grenzüberschreitender Umwandlungen (Formwechsel, Verschmelzung und Spaltung, zusammen im Weiteren: „grenzüberschreitende Umwandlungen“) von Kapitalgesellschaften innerhalb des Binnenmarkts geschaffen. Die Umsetzung soll überwiegend unter Wahrung der bewährten Grundsätze und der bewährten Systematik des deutschen Umwandlungsrechts erfolgen, so die Bundesregierung.

Durch den Gesetzentwurf soll der im Wesentlichen verpflichtend umzusetzende neue Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Umstrukturierungen innerhalb Europas mit der Modernisierung des nationalen Umwandlungsrechts verbunden werden. Auf dieser Linie liegt es, die Vorschriften über grenzüberschreitende Umwandlungen in einem neuen Sechsten Buch des Umwandlungsgesetzes (UmwG) zusammenzufassen. Vereinzelt sollen auch Regelungen novelliert werden, die rein nationale Sachverhalte betreffen.

Der deutsche Gesetzgeber hat dabei nur für Kapitalgesellschaften eine Rechtsvereinheitlichung vorgesehen. Ohne entsprechende vereinheitlichte spiegelbildliche Regelungen im nationalen Umwandlungsrecht der übrigen EU-Mitgliedstaaten hätte eine solche einseitige Ausweitung des Anwendungsbereichs auch für die Personenhandelsgesellschaften jedoch keinen praktischen Wert. Eine vergleichbare Entwicklung wird jedoch in den kommenden Jahren wohl auch für Personenhandelsgesellschaften zu erwarten sein, da grundsätzlich bereits die Möglichkeit einer Verschmelzung auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft auch über die Grenzen hinaus besteht (siehe hierzu auch unten die steuerrechtlichen Erwägungen).

Wesentliche Änderungen des überarbeiteten Entwurfs

Wir hatten Mitte des Jahres bereits umfassend den Referentenentwurf beleuchtet, siehe hier. Auf Antrag der Koalitionsfraktionen nahm der Rechtsausschuss noch diverse Änderungen am Regierungsentwurf vor. Dabei handelt es sich unter anderem um Punkte, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme gefordert hatte, sowie Erkenntnisse aus der Sachverständigenanhörung zu dem Gesetzentwurf. Dieser intensive Gesetzgebungsprozess erfreut insbesondere daher, da laut der Begründung des Gesetzentwurfs das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf und unterstreicht nochmals die Wichtigkeit der nötigen Richtlinienumsetzung sowie Anpassungen im Recht der grenzüberschreitenden Umwandlungen.

Wesentliche Kerngedanken bereits des Referentenentwurfs waren der Schutz der Gesellschaftsgläubiger sowie die Vereinheitlichung der Rechte der Minderheitsgesellschafter bei grenzüberschreitenden und innerstaatlichen Umwandlungen, insbesondere die Ungleichbehandlung von Minderheitsgesellschaftern übertragender und übernehmender Gesellschaften bei der Verschmelzung – das Spruchverfahren steht nun beiden zur Verfügung. Zudem wird ein rechtssicheres, europaweit kompatibles Verfahren für grenzüberschreitende Umwandlungen eingeführt, bei dem die beteiligten Handelsregister digital miteinander kommunizieren. Aktiengesellschaften erhalten die Möglichkeit, erforderliche Anpassungen der Wertverhältnisse übertragender und übernehmender Gesellschaften durch zusätzliche Aktien auszugleichen. Das soll die Liquidität schonen und erleichtert Investitionen im Zuge von Umstrukturierungen. Dies wurde eng begleitet von frühzeitigen Informationsrechten für Arbeitnehmer, um ihre Rechte effektiv wahrnehmen zu können.

Letzteres wurde in einem eigenständigen Gesetzentwurf zum intensiven Schutz von Arbeitnehmerrechten geregelt, siehe dazu gesondert weiter unten. Der (aktualisierte) Gesetzentwurf enthält darüber hinaus an vielen Stellen lediglich redaktionelle Anpassungen. Neu hinzu kam indes für die Verschmelzung durch Aufnahme, bei der gleichzeitig eine Kapitalerhöhung stattfindet, dass eine Klage nicht darauf gestützt werden kann, dass das Umtauschverhältnis der Anteile zu niedrig bemessen sei.

Zudem gab es eine Entschärfung im Zusammenhang mit der Prüfung seitens des zuständigen Registergerichts, wonach erst bei Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten missbräuchlicher oder zu betrügerischen Zwecken verwendeter grenzüberschreitender Umwandlungen eine Überprüfung vorgenommen wird. Klagen, die den Vollzug einer Verschmelzung suspendierenden würden, wären somit bei einem nur unangemessen ausgestalteten Verschmelzungsplan ausgeschlossen. Statt der Klagemöglichkeit steht ein im Spruchverfahren durchzusetzender Ausgleichsanspruch zur Verfügung. Zugleich vorgenommene Änderungen im Spruchverfahrensgesetz dienen dabei einerseits der Beschleunigung im Interesse aller Beteiligten bei Wahrung der Rechte der Antragsteller, andererseits des prozessualen Nachvollzugs der materiellrechtlichen Änderungen im Umwandlungsgesetz. Liegen indes Anhaltspunkte für missbräuchliche oder betrügerische Zwecke vor (dies wird von Amts wegen überprüft), soll das Registergericht die Eintragung ablehnen.

Auch das Steuerrecht erfährt durch die Änderungen des UmwG Neuerungen, da zwar grundsätzlich für das Umwandlungssteuerrecht das Umwandlungssteuergesetz gilt, es jedoch regelmäßig auf die allgemeinen Reglungen im UmwG verweist (sog. Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts). Da wie aufgezeigt die Änderungen nur Kapitalgesellschaften betreffen, besteht auch hier eine gewisse Lücke für Personengesellschaften. Das Steuerrecht ist hierbei jedoch schon weiter, indem es – unabhängig von den umwandlungsrechtlichen Regelungen – z.B. unter den Voraussetzungen des § 24 UmwStG die Einbringungen eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine (ausländische) Personengesellschaft zum Buchwert ermöglicht.

Ein notariell zu beurkundender Umwandlungsplan ist grundsätzlich für sämtliche Umwandlungsvorgänge aufzustellen, welchem die jeweiligen Anteilsinhaber (qualifiziert) zustimmen müssen. Diese Zustimmung muss nunmehr erst nach Kenntnis des Umwandlungsberichts, Prüfungsberichts und nach etwaigen weiteren Stellungnahmen durch die Versammlung der Anteilsinhaber erteilt werden. Neu ist hierbei der künftig für alle grenzüberschreitenden Umwandlungen grundsätzlich zu erstellende Umwandlungsbericht.

Schutz von Arbeitnehmerrechten

Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag bereits am 1. Dezember 2022 einen eigenständigen Gesetzentwurf gebilligt, welcher speziell den Schutz von Arbeitnehmerrechten bei grenzüberschreitenden Umwandlungen zum Zweck hat, welche hierbei bislang nur wenig bis gar nicht geschützt wurden. Dies ließ Umwandlungen innerhalb der EU auch den Ruf des Rechtsmissbrauchs anhaften, auch wenn dies größtenteils keine Intention der betroffenen Gesellschaften oder bloßer Nebeneffekt war.

Dies wird in einem neuen Gesetz „über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung“ (MgFSG) umgesetzt und enthält unter anderem folgende Regelungen:

  • Das MgFSG gilt in erster Linie für die Ausgestaltung der Mitbestimmung in Gesellschaften deutscher Rechtsform, die aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgehen („Herein-Umwandlung“) und entspricht damit den unionsrechtlichen Vorgaben.

  • Für grenzüberschreitende Umwandlungen werden Verhandlungen über die Mitbestimmung in einer hervorgehenden Gesellschaft bereits dann erforderlich, wenn eine beteiligte Gesellschaft eine Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die mindestens vier Fünfteln des Schwellenwerts entspricht, der die Unternehmensmitbestimmung im Wegzugsmitgliedstaat auslöst („Vier-Fünftel-Regelung“).

  • Der Umsetzungsspielraum hinsichtlich der Wahl der auf Deutschland entfallenden Arbeitnehmervertreter im besonderen Verhandlungsgremium wird nach dem Vorbild des geltenden Rechts ausgefüllt. Damit wurde beim MgFSG die Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums ausführlicher geregelt, als dies noch im Referentenentwurf der Fall war. Um Verzögerungen und unnötige Kosten zu vermeiden, erfolgt die Wahl durch bestehende Gremien der Arbeitnehmervertretung.

  • Den Besonderheiten der grenzüberschreitenden Spaltung wird durch eine Sitzgarantie der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer Rechnung getragen.

Weiterführende Hinweise und Ausblick

Der Rechtsausschuss hat am 5. Dezember seine Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf vorgelegt. Es ist zu erwarten, dass der Bundestag dieser Empfehlung in den abschließenden Lesungen am 15. Dezember folgen wird. Dies gilt insbesondere als wahrscheinlich, da die Umsetzung der zugrundeliegenden EU-Richtlinie in nationales Recht für die Bundesrepublik Deutschland bis zum 31. Januar 2023 verpflichtend vorgeschrieben ist.

Beide Gesetzentwürfe (sowohl der aktuelle Entwurf zur Änderung und Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften im Umwandlungsrecht, als auch der bereits beschlossene arbeitsrechtliche) dienen der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie, die als Teil des sog. Company Law Package eines der größten Reformpakete der letzten Jahre im Bereich des europäischen Gesellschaftsrechts darstellt. Sie sollen zeitgleich in Kraft treten.

Für (grenzüberschreitende) Umwandlungen, die vor dem 31.01.2023 beschlossen und vor dem 31.12.2023 beim Registergericht zur Eintragung angemeldet werden, besteht eine Übergangsfrist, in der die Umwandlung nach dem aktuell geltenden Recht möglich bleibt.

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