Bundesrat, Steuergesetz, Steuer

November 03, 2022

Bundesrat regt weitreichende Änderungen und Ergänzungen des Jahressteuergesetzes 2022 an

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BUNDESRAT REGT WEITREICHENDE ÄNDERUNGEN UND ERGÄNZUNGEN DES JAHRESSTEUERGESETZES 2022 AN

Ende Juli hat das Bundesfinanzministerium den Referentenentwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 veröffentlicht, der insb. die Änderung der Besteuerung sog. Registerfälle mit Beschränkung auf Gläubiger mit Ansässigkeit in einem nichtkooperativen Steuerhoheitsgebiet ab 2023 sowie diverse weitere Änderungen des Bewertungs-, Einkommensteuer-, Umsatzsteuer-, Umwandlungssteuer-, Grunderwerbsteuer- sowie Steueroasenabwehrgesetz vorsah (siehe hierzu unser Beitrag vom 01.08.2022). Aus unternehmensteuerlicher Sicht enthielt der Regierungsentwurf keine wesentlichen Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf.

Nun hat aber der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf die Gelegenheit genutzt und zahlreiche, teils weitreichende Änderungen und Ergänzungen vorgeschlagen. Die Bundesregierung hat ihre Gegenäußerung zu dieser Stellungnahme kürzlich gefasst. Aus unternehmensteuerlicher Sicht sind folgende Punkte von wesentlicher Bedeutung:

  • Erweiterung des § 6 Abs. 5 EStG im Hinblick auf die Sperrfristtatbestände (§ 6 Abs. 5 S. 4a, S. 7, S. 8 EStG-E)

Der Bundesrat schlägt vor § 6 Abs. 5 EStG um die Sätze 4a, 7 und 8 zu erweitern. Damit soll eine Sperrfristverletzung auch dann vorliegen, wenn nicht das zuvor zum Buchwert übertragene Wirtschaftsgut selbst veräußert wird, sondern stattdessen eine mittelbare Veräußerung erfolgt, indem ein Anteil an der Mitunternehmerschaft veräußert wird auf die das Wirtschaftsgut zuvor übertragen wurde. Diese Änderung stellt eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH vom 15.07.2021 (IV R 36/18) dar, wonach aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 6 Abs. 5 S. 4 EStG derzeit in diesen Fällen keine die Sperrfrist verletzende schädliche Veräußerung vorliegt.

Der Vorschlag zur Erweiterung des § 6 Abs. 5 EStG um die Sätze 7 und 8 ist ebenfalls eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH, wonach kein Sperrfristverstoß gem. § 6 Abs. 5 S. 6 EStG (Begründung/Erhöhung des Anteils einer Körperschaft an dem übertragenen Wirtschaftsgut) vorliegt, wenn die Veräußerung des Mitunternehmeranteils zwischen Körperschaften erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2021, IV R 36/18) oder die Begründung der Beteiligung an dem Wirtschaftsgut im Rahmen eines vollentgeltlichen Anteilserwerbs erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2021, XI R 43/20).

Der Bundesrat schlägt vor, diese Änderungen in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Die Bundesregierung wird den Vorschlag prüfen.

  • Beibehaltung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG und Konkretisierung der Kriterien zum Ansatz einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

Der Bundesrat schlägt vor, die geplante Streichung des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG nicht vorzunehmen und diesen stattdessen um eine Konkretisierung der Regelungen zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer zu ergänzen.

Die Bundesregierung wird den Vorschlag prüfen.

  • Erweiterung der Einlagenrückgewährregelung gem. § 27 Abs. 8 KStG auf Drittstaaten-Kapitalgesellschaften sowie auf Rückzahlungen von Beträgen aus der vorherigen Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

Der Bundesrat schlägt vor, die Regelungen zur Einlagenrückgewähr gem. § 27 Abs. 8 KStG bei ausländischen EU-Kapitalgesellschaften auf Drittstaatengesellschaften zu erweitern und hiervon auch Nennkapitalrückzahlungen zu erfassen (§ 27 Abs. 8 S. 1, 3, 4 und 9 KStG-E). Parallel dazu soll die Regelung in § 7 Abs. 2 KapErhStG, wonach Rückzahlungen von in Nennkapital umgewandelten Kapital- oder Gewinnrücklagen innerhalb von fünf Jahren nach der Kapitalerhöhung beim Anteilseigner steuerpflichtig sind, abgeschafft werden. Im Ergebnis soll damit im Hinblick auf Kapitalherabsetzungen ein Gleichlauf zwischen EU- und Drittstaatenkapitalgesellschaften erzielt werden.

Um Belastungsspitzen aus der Bearbeitung der Anträge beim BZSt künftig zu verringern, soll die Feststellung der Einlagenrückgewähr ausländischer Kapitalgesellschaften verfahrenstechnisch nicht mehr am Veranlagungszeitraum/Kalenderjahr, sondern am Wirtschaftsjahr festmachen. Die Antragstellung zur gesonderten Feststellung der Einlagenrückgewähr soll künftig innerhalb von 12 Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erfolgen (§ 27 Abs. 8 S. 4 KStG-E). Erstmalig sollen die Regelungen für Leistungen nach dem 31.12.2022 Anwendung finden.

Die Bundesregierung stimmt diesem Vorschlag zu.

  • Versagung der grunderwerbsteuerlichen Begünstigung gem. § 6 Abs. 3 GrEStG sofern die übertragende Gesamthand zur Körperschaftsteuer optiert

Der Bundesrat schlägt vor, die grunderwerbsteuerliche Begünstigung bei der Übertragung von Grundvermögen zwischen Gesamthandschaften gem. § 6 Abs. 3 GrEStG auch dann zu versagen, wenn nicht die erwerbende Gesamthandschaft, sondern die übertragende Gesellschaft innerhalb der nachlaufenden 10-Jahresfrist zur Körperschaftsteuer gem. § 1a KStG optiert.

Die Bundesregierung lehnt diesen Vorschlag ab und sieht das Abstellen auf die erwerbende Gesellschaft richtigerweise als ausreichend an.

  • Aufhebung von Steuerfestsetzungen betreffend rechtsgeschäftlicher Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 GrEStG) oder aufgrund des Innehabens von wirtschaftlichen Beteiligungen (§ 1 Abs. 3a GrEStG) bei damit zusammenhängenden nachfolgenden grunderwerbsteuerbaren Anteilserwerben gem. § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG (§ 16 Abs. 4a GrEStG-E) bei Share Deals

Der Bundesrat schlägt eine gesetzliche Regelung für Share Deals vor, wonach die Grunderwerbsteuerfestsetzung auf Basis eines rechtsgeschäftlichen Erwerbsvorgangs gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 GrEStG (Anteilsvereinigung) oder aufgrund des Innehabens einer wirtschaftlichen Beteiligung gem. § 1 Abs. 3a GrEStG auf Antrag aufzuheben oder zu ändern ist, wenn die Anteile an der grundstückshaltenden Gesellschaft in Erfüllung dieses Rechtsgeschäfts übergehen und dadurch der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG verwirklicht wird. Voraussetzung für diese Aufhebung bzw. Änderung soll die vollständige und fristgerechte Anzeige sämtlicher hierbei ausgelöster Erwerbsvorgänge gem. § 18 ff. GrEStG sein (§ 16 Abs. 5 S. 2 GrEStG-E).

Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag zu.

Mit diesem Vorschlag positioniert sich der Bundesrat zur umstrittenen Rechtsfrage, ob bei Share Deals ein zweimaliger grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang überhaupt vorliegen kann, nämlich einerseits bei Abschluss des Kaufvertrags (signing) gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1, 3 GrEStG, und andererseits bei dem regelmäßig zeitlich nachfolgenden Übergang der Anteile (closing) aufgrund von § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG. Der Bundesrat geht hiervon aus und will die Neutralisation der Doppelbesteuerung davon abhängig machen, dass diese beiden grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgänge vollständig und fristgerecht angezeigt wurden. Dies ist eine erhebliche Verschärfung zum Status Quo, wonach die Finanzverwaltung in solchen Fällen eine Festsetzung im Hinblick auf einen Erwerbsvorgang bei signing gem. § 1 Abs. 3 GrEStG derzeit nur vornehmen will, wenn bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG nicht zu erwarten ist. Andernfalls ist eine Festsetzung im Hinblick auf einen grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang gem. § 1 Abs. 3 GrEStG nach Ansicht der Finanzverwaltung grundsätzlich nicht geboten. Selbst wenn in solchen Fällen eine Festsetzung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG vorzunehmen ist, soll diese nach derzeitiger Ansicht der Finanzverwaltung bei erneuter Festsetzung gem. § 1 Abs. 2a, 2b GrEStG von Amts wegen aufgehoben bzw. geändert werden (vgl. GLE betr. Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG vom 10.05.2022, BStBl I, S. 801).

Sollte dieser Vorschlag als Gesetz verabschiedet werden, käme der grunderwerbsteuerlichen Anzeige des Erwerbsvorgangs künftig eine wesentliche Bedeutung zu, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Ob die dahinter stehende Rechtsauffassung korrekt ist und ein erfolgreich durchgeführter Share Deal tatsächlich zwei grunderwerbsteuerbare Erwerbsvorgänge verwirklicht, wird damit wohl in der Zukunft von der Rechtsprechung geklärt werden müssen.

Es bleibt abzuwarten, welche Punkte in welcher Form durch die Koalitionsfraktionen im federführenden Finanzausschuss des Bundestags noch in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden. Auf Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses wird der Bundestag anschließend das Gesetz verabschieden. Der Bundesrat muss anschließend dem Gesetz zustimmen. Mit der Verabschiedung ist bis Mitte Dezember ist zu rechnen.

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